Klingeln bei Meier, bitte. Eine elektro-textile-Rauminszenierung von Sophie Kellner
8. November – 7. Dezember Donnerstag/Freitag 17-20h, Samstag 16-19h.
Die Gestalterin Sophie Kellner (*1991) präsentiert narrative Zukunftsspekulationen, die in Kooperation und Interaktivität durch die Besucher*innen zu erforschen und mitzugestalten sind.
Die elektro-textile Rauminszenierung wird durch Kreative aus den Disziplinen Kunst, neue Medien, Szenografie und Musik gestaltet: Sophia Eisenring, Harald Kraemer, Joël László, Lukas Linder, Dominic Oppliger, Maria Ursprung (Texte), Merle Ibach (Grafik), Kathrin Mast (Szenografie und Installation), Nora Laur und Meike Stender (textile Fertigung), Lea Baur (Strickdesign), Niklas Hagemann (Elektronik und Programming), Jonas Darvas (technische Installation), Georg Darvas und Kaija Ledergerber (Sprecher), Martin Wyss und Robin Michel (Musik).
Das Vermittlungsprojekt von Sophie Kellner und Team wird durch die Abteilung Kultur Basel-Stadt unterstützt – herzlichen Dank!
Menas Geschichte
Mena:
“Ich weiss nicht so recht, wie ich beginnen soll…
…
Hm?
…
Du meinst, ich soll mit etwas anfangen, was mir Freude bereitet hat.
…
Gut. Dann werde ich vom Rotationsspiel erzählen. Dies hat mir gefallen und ich finde es wichtig, darüber zu sprechen. …
Viele Menschen waren früher mit ihrer Rolle unzufrieden und irgendwann hat man das Rotationsspiel geschaffen an dem jeder freiwillig teilnehmen kann. Unser Suanfa wählt die Rolle aus und, …
…
Was? …
Ah, du meinst, ich soll das mit dem Suanfa auch erklären.
Also gut. …
Ihr könnt natürlich nicht wissen, was unser Suanfa ist.
Suanfa ist einer der wenigen Rechner, die noch laufen und den wir bei wichtigen Entscheidungen befragen. Wir haben seit über zwanzig Jahren eine Herrschaftsform, die wir Algoristokratie nennen.
Wie das im Einzelnen funktioniert und nach welchen Kriterien die Herrschaft der Rechnersysteme zustande gekommen ist, haben wir leider vergessen.
Aber es erschien damals irgendwie gerechter und nur so konnte die Kleptokratie, welche die Demokratie immer mehr ausgehöhlt hatte, beendet werden. Kleptokratie und Demokratie waren frühere Herrschaftsformen, aber das spielt heutzutage keine Rolle mehr.
Anfangs war der Umgang mit Suanfa eher ungewohnt, aber recht bald hatten wir uns daran gewöhnt.
Zuerst gab es noch Leute, die so etwas wie das Recht der Mitbestimmung des Einzelnen einforderten, aber als es immer heisser wurde und die Hitze und der Wassermangel uns allen zu schaffen machte, haben die Eigenbrötler dann eingesehen, dass auf sie zugunsten der Gemeinschaft keine Rücksicht mehr genommen werden kann und dann haben sich “die letzten Freien”, wie sich diese alten Männer selbst nannten, entweder angepasst oder sind einfach verschwunden.
Das alte Herrschaftssystem der Demokratie, welches doch immer wieder Probleme geschaffen hat und immer komplizierter wurde, ist dann durch die Algoristokratie abgelöst worden.
Und Suanfa ist die Stimme des Algorithmus, die Stimme der Vernunft auf die wir hören und der wir vertrauen. Nun ist es halt so.
Doch lass mich vom Rotationsspiel erzählen. Dann versteht ihr besser, was ich meine.
Suanfa wählt also die Rolle aus und wir leben dann für einen Monat mit einem fixen Partner so wie das, was man früher Ehe nannte oder wir können sogar eine kleine oder grössere Familie mit Mietkindern haben. Natürlich nur tagsüber. Abends kommen die Mietkinder wieder in ihren Hort und falls sie zu anstrengend sind, können sie auch ausgetauscht werden. So lernen wir uns alle besser kennen und die Jungen üben wie man sich in verschiedenen sozialen Gruppen verhält.
Das mit den Mietkindern ist echt eine praktische Sache. Und auch, dass wir uns nicht mehr um die Verhütung kümmern müssen, denn Suanfa hat veranlasst, dass die jungen Burschen nach der Pubertät generell von wenigen Ausnahmen mal abgesehen, alle sterilisiert werden, damit das Problem der unkontrollierten Geburten endlich gelöst werden konnte. Das ist sehr praktisch und wir leben alle viel freier dadurch. Und seitdem überall bekannt geworden ist, dass die Männer, die von Ausserhalb zu uns kommen wollen, alle ausnahmslos kastriert werden, ist auch der Anteil an Fremden stark zurückgegangen. Diese Massnahme und auch die Mauer, die unser Territorium umgibt, sind ein guter Schutz. Als die Grenzen zwischen den Ländern zerfielen, mussten sich die Menschen neu organisieren und auch schützen und wir bauten den Parcours.
…
Was?
…
Wenn du meinst, dann erklär ich das auch.
Gut, also eigentlich ist es keine Mauer, mehr so eine Art Parcours, mehrere Hundert Meter breit. Wir haben den Parcours als eine Art Hindernislaufbahn gemacht, um es mit dem Gesetz zur aktiven Freizeitgestaltung in Einklang zu bringen. Der Parcours kann also von beiden Seiten beschritten und auch wieder verlassen werden. Doch um zu unserer Seite hinüber zu kommen, müssen diejenigen, die von Aussen reinwollen, eine Reihe von Aufgaben lösen. Einige davon sind tödlich. Und einige der besten von uns sind Wächterinnen, die im Parcours auch jagen dürfen. Nur wer durchkommt, erfüllt die Voraussetzungen zur Aufnahme in unsere Gemeinschaft. Dann stimmen wir ab und nur die wenigsten können bleiben. Uns erschien dies humaner, denn nun hat jede, die reinwill eine faire Chance. Vorher kamen doch oft die Falschen ins Land und unser Platz ist begehrt.
Wir leben am Tiefen See, einer der wenigen Seen, der noch Wasser hat. Früher hiess er mal Walensee. Aber das ist lange her. In den Bergen lebt niemand mehr und auch die meisten Täler sind unbewohnbar geworden. Durch die lange Trockenheit ist der Fels porös, die Täler unfruchtbar. Eine Zeitlang wurde noch versucht, die Seen mit Sonnenspiegeln zu bedecken. Um das Wasser zu schützen und um Energie zu gewinnen.
Es sah auch recht schön aus.
Selbst als die Seen längst ausgetrocknet waren, glaubte man, die Seen hätten noch Wasser, da sich das Licht darauf spiegelte. Doch mittlerweile sind die meisten Spiegel kaputt und uns fehlt das Wissen, um sie zu reparieren. Ähnlich war es mit den Windrädern, die nun wie Grabsteine einer längst vergessenen Zeit wirken. Es war eine ziemliche Arbeit, die Spiegel sauberzuhalten, da der ewige Wind sie ständig mit Staub bedeckte. Da wir wegen der Hitze nur bei Tagesanbruch arbeiten konnten, musste alles schnell gehen und es gab immer wieder tödliche Unfälle. Ich arbeitete sehr ungern dort und habe auch einige meiner besten Freundinnen dort verloren.
Doch ich will nicht klagen, ich weiss, dass alles muss sich für euch später ziemlich verrückt anhören, aber es geht uns irgendwie viel besser als früher. Es hat nun klare Regeln und sie sind eindeutiger.
Die meisten Städte sind zerfallen und viele der Zivilisationskrankheiten sind verschwunden. Wir leben in kleineren Gemeinschaften. Das Überleben fällt uns leichter, wenn wir in kleinen Gruppen sind. Da wir wöchentlich immer einen anderen Dienst in der Gemeinschaft übernehmen, ist das Leben recht abwechslungsreich. Nachdem wir unsere Arbeit am frühen Morgen erledigt haben, kommen wir zusammen und machen irgendwas. Es gibt immer was zu tun. Seitdem die Begriffe Kunst und Künstlerin verboten wurden, ist es viel besser geworden. Ausstellungen gibt es auch keine mehr. Dieser unheimliche Druck, der früher von den Männern ausging und dass man sich ständig was beweisen musste, fiel einfach weg. Dafür hat sich das Mandalaprinzip durchgesetzt. Was wir tagsüber einzeln erschaffen, wird Abends gemeinsam wieder vernichtet. Das tut gut. Wir nennen dies Finissage, aber eigentlich weiss keiner mehr, was dieser Begriff für eine Bedeutung hat.
…
Die Erinnerung verklärt so manches, aber an eines erinnere ich mich noch gut. Es war 2068 und ich war 5 Jahre alt. Damals fand das Attentat auf Greta statt.
Ja, die heilige Greta, wie sie genannt wurde, bevor die Religionen abgeschafft wurden. In ihrer letzten Rede sagte sie, wer braucht noch Kunstwerke, wenn die Polkappen geschmolzen sind. Statt Geld für Kunst, sollten die Menschen lieber alles dafür tun, um ihre Erde zu retten. Kurz darauf fielen die tödlichen Schüsse.
Einige Wochen später sprengten sich dann Tausende von Gretas in Kunstmuseen weltweit in die Luft und auch die Art Basel wurde komplett durch diese Frauen zerstört. Kunstwerke, Galeristen, Sammler, alles war dahin. Das Karussell der Geldwäsche und des Irrglaubens brach zusammen. Die Menschen verloren das Vertrauen in Börsen und Banken. Dies war der Anfang vom Neubeginn, wie du weisst und der Besitz von Kunstwerken ist seitdem unter Strafe gestellt.
Wir leben heute mit festen Regeln. Wenn es Unklarheiten gibt, machen wir Schreiduelle oder wenn dies nichts bringt, lassen wir Suanfa entscheiden.
Das Leben ist einfach. Ob es besser ist, weiss ich nicht, dafür fehlt mir der Vergleich. …
Und ob es härter als früher ist …
War das Leben nicht immer schon hart?
…
Morgen ist mein grosser Tag. Mein letzter Tag. Ich darf in die Kammer. Um der Gemeinschaft zu helfen und zu dienen. Meinem Körper wird Wasser entzogen und aus meinem Körperfett werden Kerzen gemacht. Ich habe das kleine Wesen schon kennengelernt, das später einmal die Wächterin meiner Kerze sein wird.
Mein Name wird zu ihrem Namen.
Ihr Name ist Mena.”
Harald Kraemer, 17. Oktober 2019
Als Vermittlungsangebot können wir zwei Workshops anbieten. Sie verbinden klassisches Handwerk mit neuen Technologien.
Blinkmützen 1. Dezember 2019 14:00-17:00
Sound-Shirts 26. September 2019 8:15 – 15:00
Blinkmützen
Gestalte deine Blinkmütze unter Anleitung und mit Hilfe der Designerin Sophie Kellner.
Wir nähen einen textilen Stromkreis mit LED und Knopfzelle in eine Mütze, sodass sie beim Tragen durch Bewegung leuchtet.
Anmeldung bei info@lotsremark.net
1. Dezember 2019 14:00-17:00 Blinkmützen
Mit leitfähigem Garn, Gewebe, einer LED und einer 3V-Knopfzelle wird dein eigenes Design auf der Basis einer einfachen Schaltung entstehen. Mit einem kleinen Haken leuchtet die LED konstant, wenn sie angeschlossen wird oder eine zufällige Verbindung mit einer Art Pendel herstellt. Die LED leuchtet auf, wenn man sich bewegt.
Kosten inkl. Material und Mütze: CHF 50.-
Ermässigung auf Anfrage. Für Kinder ab 9 Jahre in Begleitung.
Der Kurs findet im Werk an der Klybeckstrasse 241 statt!
Sound-Shirts
27. September 2019 08:15 – 15:00
Textilien, Stoffe und Garne mit leitfähigen Eigenschaften, können elektronische Stromkreise bilden. Mit der Nähnadel wird das Leitgarn, Mikro-Controller und ein Sensor in ein Kleidungsstück integriert. Die einzelnen elektronischen Komponenten werden zu einem funktionierenden Stromkreis zusammengefügt. Mit der Programmiersprache Arduino wird der Sensor ausgelöst: die Bewegungen der Träger*innen oder die Interaktion mit anderen soll dem Kleidungsstück Töne entlocken.